Krümel, Löffel und Co.


Fünf Kilo Gepäck. Fünf Kilo Existenz.

Ich liebe Städtereise. Zwei, drei Tage reichen meiner Meinung nach völlig aus um einen Eindruck von einer Metropole zu bekommen. Und dieser Eindruck ist in der Regel gut, denn für die schlechten Ecken haben wir ja keine Zeit. Ich habe also wieder mal einen Kurztrip in die Wege geleitet und stehe vor dem Hauptproblem aller Reisenden: Kofferpacken. Nun, wer mich kennt, weiß, dass ich längst olympisches Gold gewonnen hätte, wenn es um die Disziplin ginge, Koffer in minimaler Zeit maximal zu füllen. Je kleiner der Koffer, desto größer die Herausforderung. Was also mitnehmen zu einer zweitägigen Reise? „Eine Unterhose, einen Kamm und eine Zahnbürste. Vielleicht noch Zahnpasta, falls der Zimmernachbar im Hostel keine leihen kann.“ Ja, das würde der Durchschnittsmann antworten. Da der gegenwärtige, seit der Jahrtausendwende ungebrochene Trend nach wie vor hin zur Metrosexualität geht, zählen einige auch noch Deo, Rasierer und Handtuch auf. Und jetzt die Gegenstimme. „Ehhh…“ Na, Mädels? Richtig, wir haben keinen blassen Dunst, was wir mitnehmen sollen. Also nehmen wir ein bisschen von allem mit. Ich packe meinen Koffer… war schon immer eins meiner Lieblingsspiele, auch wenn mein Gepäckstück diesmal gar kein Koffer ist. Doch auch ein Rucksack kann bis in die letzte Stofffalte gefüllt werden.

Keiner wird mir widersprechen: Wir sind fast ausnahmslos Handtaschenfetischisten. Pardon, Fetischistinnen. Selbst beim Kurzbesuch bei der besten Freundin inklusive Sofaübernachtung brauchen wir, naja, ungefähr fünf Kilo Gepäck. Fünf Kilo nur das Nötigste. Fünf Kilo Existenz. Frauen und Taschen haben eine Beziehung wie die Erde und der Mond. Das eine wird vom anderen angezogen, beide bedingen einander. Was ist die Frau, die euch auf der Straße entgegenkommt und keine Handtasche trägt? Überfallen worden.

Nun, Spaß beiseite.

Eine Handtasche ist für uns Statussymbol, Accessoire, der Garant für spontane Clubnächte und erfolgreiche Dates. Und sie ist ein faszinierendes Mysterium. Und wir wissen das. Wir wissen auch, dass ihr, liebe Männer, das nicht mal mit gutem Willen und einer Extraportion Empathie verstehen könnt. Die Sache mit den Schals, Schuhen und Schmuck ist noch halbwegs nachvollziehbar, das sieht hübsch aus. Und wir darin und damit. Aber eine Handtasche? So ein Sackbeutel, der an unserem Arm baumelt und irgendwie ständig im Weg ist. Was kann der? Warum ist der da? Bevor jetzt die ersten mit Freudschen Theorien aufwarten, wofür eine Handtasche so stehen könnte, wollen wir etwas Licht ins Dunkel der Taschen bringen.



Foxys Handtasche. Mit einem Ü-Ei.

Warum Männer das Phänomen "Handtasche" nicht verstehen

Generell scheint es eine Dichotomie auf dem Gebiet der Handtaschenphilosophie zu geben. Wenn eine Freundin mich besucht und sie keine dabei hat, ist das sehr merkwürdig. Wenn ein Typ zu mir kommt und eine dabei hat, ist das noch viel merkwürdiger. Männer kommen entweder mit einer überdimensionalen Sporttasche – in der sie unnatürlich wenige Sachen unnatürlich groß zusammenfalten – oder mit nichts als dem Inhalt ihrer Jackentasche, vorausgesetzt sie haben eine dabei. (In milden Spätwinternächten wird auf diese aus organisatorischer Effizienz gelegentlich verzichtet.) Es scheint, als ob sich Männer nicht zwischen zu wenig – also gar nichts – und einem Zuviel entscheiden können. Wobei der häufigere der beiden Fälle der letztere ist und nur dann eintritt, wenn der Typ für ein längeres Wochenende vorbeikommt. Oder bei euch einzieht.
Eine Frau hingegen wird immer mit einer Handtasche bei euch auftauchen, sei es auch nur dafür, um euch zu sagen, dass sie keine Zeit hat, weil sie noch einkaufen gehen muss. Unter anderem auch Schuhe und Handtaschen. Liebe Philosophen, an dieser Stelle wird der Sackbeutel in der Tat zum Metasackbeutel.

Handtaschen und ihre unergründlichen Tiefen sind ohne Zweifel ein halboffenes Symbol für die weibliche Abhängigkeit von der Kosmetikindustrie und zeigen, dass wir eines nicht abgeben können: die Kontrolle. Über unser Aussehen, über Eventualitäten, die aus dem Nichts über uns hereinbrechen könnten („Ja, ich brauche diesen Haargummi. Ja, ich weiß, dass ich schon einen in den Haaren hab. Aber was, wenn der kaputtgeht?“), über unsere einseitigen Haltungsfehler.  Jede von uns ist längst eine postmoderne Mary Poppins und zaubert alles Mögliche und Unmögliche zwischen zwei Reißverschlusshälften hervor. Wir brauchen das, was in unseren Taschen ist. Alles. Nicht immer. Aber irgendwann.

Was ist nun drin in so einem ledrigen Mysterium? Ich habe einen Selbstversuch gestartet und meine eigene Allround-Tasche mal genauer untersucht.
Auf den ersten Blick spielen Form, Farbe und Größe bei der Wahl der Lieblingshandtasche weniger eine Rolle. Nun, wir wissen alle, dass die Größe auf den zweiten Blick doch eine Rolle spielt. Doch stehen die Maße einer Tasche proportional zu ihrem Inhaltsvermögen, also auch zu ihrem Inhalt. Diese physische Theorie ist angreifbar, denn ich halte die empirisch geprüfte Theorie dagegen, dass auch in kleine Taschen eine Menge reingeht. Von den herkömmlichen Standards wie Portemonnaie, Schlüssel, Handy,  Papiertaschentüchern und Kondomen (an dieser Stelle driften die Meinungen auseinander: Manche finden es vollkommen ausreichend, Toilettenpapier zu benutzen) gibt es eine Vielzahl von Dingen, die man noch in einer Handtasche finden kann. Ganz oben auf der Liste stehen Sand und Krümel. Kein Mensch weiß, wo sie herkommen, aber sie sind in jeder Falte des Innenstoffes. Als würden wir jeden Tag ein Dutzend Brötchen darin transportieren, sie hin- und her schwenkend, während wir in halsbrecherischem Tempo die Treppe hinuntersprinten um in letzter Sekunde doch noch die Bahn zu verpassen, die uns an die Ostsee gebracht hätte, wo wir unserer Tasche neben unser Strandtuch gelegt und auch ihr mal eine Auszeit gegönnt hätten. Da wir aber die Bahn verpasst haben, hat unsere Tasche nie das Meer gesehen – und auch keinen Ostseesand. Bleiben noch die Krümel. Gut, vielleicht war irgendwann einmal ein Croissant in einer Tüte in der Tasche. Erfahrungsgemäß überleben solche Gebäckteile aber nicht lange genug, um die Masse Krümel zu produzieren, die wir in unserer Tasche finden. Vielleicht schieben wir es einfach auf das Krümelmonster. Das futtert auch überall Kekse. Warum dann nicht in unserer Tasche.

Kramen wir weiter. Ein Kosmetikartikel findet sich immer. Eine Tube Creme, ein Lippenstift oder Labello. Die Gewagteren unter uns haben mal ein paar Kaugummis oder Bonbons dabei. Und sonst? Müssen wir uns auf den Überlebenskampf da draußen vorbereiten. Mit zusammenklappbaren Bürsten (die in Einzelfällen unseren Namen auf der Rückseite trage. Es könnte ja jemand auf der Damentoilette genau dieselbe Bürste benutzen und dann ist unsere Einzigartigkeit dahin. Und die unserer Bürste.), zusammenklappbare Zahnbürsten, Zahnpasta und Duschgel in… Handtaschengröße eben. Ich persönlich habe ein Faible für UHTO, ungewöhnliche Handtaschen-Transport-Objekte. Meine Freundin Lu war immer fasziniert davon, dass ich in schöner Regelmäßigkeit eine Birne aus meiner Tasche zog. Nicht nur zum Frühstück, sondern auch abends beim Cocktailtrinken oder beim Shoppen. Ich bin eben gern vorbereitet und Obst ist gesund. Wenn man es denn isst. Manche Birnen fanden nach mehrtägigem Transport ihre letzte Ruhe im Bioeimer. Das letzte ungewöhnliche Objekt, das ich in meiner Tasche fand, war ein Plastiklöffel. Warum ich die Tatsache betone, dass er aus Plastik ist? Keine Ahnung, ich habe auch schon Gabeln und Messer aus Metall mit mir herumgetragen. Aus purer Vergesslichkeit, nicht, weil ich dachte, dass ich sie gebrauchen könnte. Es lässt sich aber nicht abstreiten, dass ein Löffel in der Tasche uns eines gibt: maximale Unabhängigkeit vor dem Kühlregal. 


Frohes Weiterkramen,
eure Foxy

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