Märchen reloaded

Es ist Sommer und es regnet. Mag ja sein, dass die Primeln auf der Fensterbank happy sind, wir finden von beiden Seiten feuchte Schuhsohlen eher so mittel. Neue Schuhe müssen her, wir gehen shoppen. Und wenn passiert, wenn es langsam dunkel wird und die Geschäfte schließen, sodass uns hexengleiche Mitarbeiterinnen mit natureigener Unfreundlichkeit („Wir schließen. JETZT!“) verjagen um endlich den Besen hervorholen zu können? Dann flüchten wir in die Heimeligkeit klebriger Sitze und nachokauender Sitznachbarn – ins Kino. Glücklicherweise habe ich mich in einen Film verirrt, der für Rezensionsschreiber eine wahre Fundgrube ist. (An dieser Stelle soll einmal betont werden, dass ich nicht vorhabe, unter dieselben zu gehen. Die Realität bietet viel spannendere Themen.) Über Rupert Sanders „Snow White and the Huntsman“ kann man Vieles sagen: romantisch, spannend, modern. Alles passt, außer originalgetreu.  

Doch fangen wir von vorne an. Es war einmal ein Kinosaal. Dieser war angefüllt mit arbeitsmüden Bürgern, die sich ihren Feierabend mit leichtverdaulicher Unterhaltung versüßen wollten. Nun geschah es aber, dass die Leinwand, auf die sie unaufhörlich starrten, benutzt wurde um im Schnelldurchlauf eines der schönsten Märchen der westlichen Literatur kaputt zu filmen. Wir sehen ein Schloss im Winter, eine lebensbejahende Königin, die sich ein überirdisch schönes Kind wünscht und es drei Monate später gebärt, Blutstropfen, Raben, Tod. Krieg droht, denn der König trauert. Nun, Märchen sind grausam, bisweilen recht blutig, aber von politisch motiviertem Krieg wird ausnahmslos nicht berichtet. (Wahrscheinlich wären die Gebrüder Grimm heute überzeugte Linkswähler. Oder Anhänger der Piratenpartei.) Die Ankunft der Stiefmutter wird durch die Rolle des hilflosen Opfers getragen. Blond, jung, allein. Wir wissen, wie sowas enden kann (Frau Katzenberger hielten wir auch alle für … zu simpel um gefährlich zu sein. Mittlerweise färbt sie sogar die Bücherregale beim Buchhändler unseres Vertrauens pink.) So entpuppt sich die unschuldige Königin als mordendes Monstrum, die für ihre Schönheit über Leichen geht. (Die zehn Sekunden, in denen ihre Haut in Sekundenschnelle altert, hätte man an L’Oréal verkaufen sollen. Weil sie es sich wert ist.) An dieser Stelle sei angemerkt, dass Charlize Theron als Stiefmutter erneut ein überzeugendes Monster gibt, diesmal in der Optik einer dominanten Königin, die stark an eine Pik-Dame erinnert. Die Produzenten, die auch Alice im Wunderland hervorbrachten, werden des Spielkarten-Themas offensichtlich nicht leid. So wandelt sich der Anblick der Königin im Fünf-Minuten-Takt von zauberhaft-hinreißend zu alt und pottenhässlich, den Graphikern sei es gedankt.

Nach etwa einer Viertelstunde Vorgeplänkel treffen wir sie endlich als Erwachsene, die atemberaubend schöne, alles erhellende, wunderbare, the one and only Snow White alias Kristen Stewart.  Machen wir einen Ausflug in unsere Kindheit und überlegen, wie wir uns Schneewittchen immer vorgestellt haben als uns die Geschichte vorgelesen wurde (oder wir ihr in haarsträubenden Schulaufführungen Leben einflößen mussten). Langes schwarzes Haar? Check. Weites, wallendes Kleid? Check. Weiße Haut und ein Äußeres, das sich subjektiv betrachtet zwischen recht annehmbar bis hin zu richtig hübsch befindet? Kann man durchgehen lassen. Ein verträumt süßes, sympathisches Lächeln auf den Lippen? Fail! Wer auch immer das Casting organisiert hat, hat sich unter Snow White den Subtext für einen (Anti-)Drogenfilm vorgestellt. Kristen Steward passt perfekt in das Rollenbild einer jungen Rebellin, die mit weißen Substanzen herumexperimentiert (ihr üblicher Gesichtsausdruck erinnert an den Blick eines Konsumenten nach dem Gebrauch schlechter Drogen), doch als Snow White hätte man vielleicht jemanden mit Liebreiz und Anmut (nicht zu verwechseln mit Dürrheit) wählen sollen.

Nun gut, nach einer Weile haben wir uns an unsere Protagonistin gewöhnt und die zweite Titelfigur tritt in Erscheinung: der Huntsman. Es bleibt ein Rätsel, was der Jäger denn nun jagt, außer einer verlorenen Liebe und am Ende – Snow White. Wie im Märchen soll er Schneewittchen erst ausliefern, wechselt dann aber auf ihre Seite und verhilft ihr zur Flucht. Ab diesem Moment verwandelt sich das noch recht passabel adaptierte Märchen in einen Hollywood-Megamix, das Beste aus den letzten 20 Kinojahren. Wir sehen Luftaufnahmen von Wäldern, Tälern und Ebenen, die uns an die Landschaft Mittelerdes denken lassen (und steht da hinten nicht der Schicksalsberg?). Der Wald, den Snow White und ihr Huntsman durchkämmen, ist verwunschen und mitunter gefährlich, das haben wir in Alice im Wunderland schon mal gesehen. Die Produzenten waren hier offensichtlich nicht sonderlich einfallsreich. So gibt es auch bei Snow White hässliche Fabelfiguren, die aus dem Nichts auftauchen, grunzen und brüllen und sich am Ende mit ein paar Streicheleinheiten verscheuchen lassen. Doch die wichtigsten Fabelfiguren erwarten wir noch. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, wo bleiben sie, die sieben Zwerge? Als Titelhelden von einem saufenden Witwer mit Chuck-Norris-Allüren verdrängt, halten sie sich erst mal bedeckt.  

Währenddessen nutzen Snow White und ihr Begleitschutz die Zeit um eine wenig zwischenmenschliche Spannung aufzubauen. Auf der Flucht vor der bösen Königin und ihren Anhängern, die nach dem Leben unserer Heldin trachten, müssen sie allerlei Gefahren und Bedrohungen meistern. (Hier sei der essentielle Spiegel erwähnt, der wie üblich seine Vorhersage macht, dass nicht die Königin die Schönste im Lande wäre, sondern besagte Snow White. Der Spiegel wäre jedoch nicht Teil dieses ominösen kill-me-if-you-can-Blockbusters, wenn er nur ein gewöhnlicher Spiegel wäre, platt im wahrsten Sinne des Wortes. Vielmehr sieht er aus wie das Weltuntergangsorakel himself, das seine dunklen Vorahnungen nur erträgt, indem es sich eine Löschdecke überzieht.)

Interessanterweise verrät der Spiegel aber auch, dass Schneewittchen – pardon: Snow White - für die Königin der Schlüssel zu Unsterblichkeit sei. Diese will nun ihre letzte Zuflucht erreichen, das Schloss des Dukes, dessen Sohn Snow Whites Kindheitsfreund ist. Als der ehrenwerte Prince Charming von deren Existenz erfährt, will er sofort aufbrechen, doch wird von höheren Mächten (aka seinem gluckenhaften Vater, der das mutterlose Einzelkind nicht verlieren will) aufgehalten seine Jugendliebe zu retten. Was lernen wir? Emanzipation muss ihre Grenzen haben, zumindest im Märchen. 

Auf ihrem Weg treffen Snow White und der Huntsman ein vernarbtes Amazonenvolk, das sich durch seine Entstellung vor den Fängen der Königin schützt. Doch auch hier sind die beiden nicht sicher, sondern fliehen weiter – direkt in die Arme von sieben kleinen, brutalen Zw… Kleinwüchsigen. Anstelle von kleinen drolligen Bergarbeitern begegnen wir aggressiven, goldhungrigen Männern, die sich nicht nur nicht davor scheuen, Gewalt anzuwenden, sondern der Prinzessin auch nahelegen den Mund zu halten. („Shut up!“). Nichts ist geblieben von dem bunten, zauberhaften Wald, den wir aus der Disney-Version kennen. Auch nichts von den fröhlichen, einigen glücklichen und anderen nicht ganz so glücklichen Zwergen („Snow Whtite and the Seven Dwarfs“, W. Disney, 1937. Ich nehme von jeder politisch inkorrekten Abwertung der von Hyposomie betroffenen Menschen Abstand).

Unverklemmt sexy: Cosma Shiva Hagen in "7 Zwerge"
© Universal
Das bringt uns von einer wenig lady-like Snow White zu all den anderen weißhäutigen, rotmundigen und schwarzhaarigen Nymphen, die im Laufe der Filmgeschichte in das enge Korsett eines zugegebenermaßen etwas verstaubten, aber doch unterhaltsamen und lehrreichen Märchens gezwängt wurden. Ich erwähnte bereits den Inbegriff der komischen Verniedlichung, die vor keinem Kinderzimmer halt macht, sei es in Form von sprechenden Tieren diverser Arten und Größen (es begann mit sprechenden Mäusen und Enten, dann folgten Rehe, Hunde, Bären, Affen, Tiger, Katzen, Füchse, noch mehr Mäuse und noch mehr Hunde, Fische, Krabben, Albatrosse, Lamas, Drachen, Kühe, Hühner, Dinosaurier – und schlussendlich noch mehr Bären) oder von Durchschnittsmenschen mit besonderer Glückssträhne. Disney-Verfilmungen. Auch unser Märchen ist so kategorisierbar. Und sonst? 

Klassisch brav: Kristin Kreuk in Snow White
© Hallmark Entertainment
Es gibt Schneewittchen als Komödie („7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug“, Regie: Otto Waalkes), in dem Cosma Shiva Hagen als liebreizendes, aber naives Dummchen eher eine Nebenrolle hat. Auch als Horrorvariante („Snow White: A Tale of Terror“, Regie: Michael Cohn) lässt sich das Material gut verarbeiten. Es überwiegt aber die romantisch-verklärte Version, in der Schneewittchen das Opfer der Intrige der Königin ist und nur durch die Liebe des Prinzen gerettet werden kann (beste Verfilmung: „Snow White“, Regie: Caroline Thompson, mit Kristin Kreuk als Snow White).

Unsere Adaption zeichnet dagegen ein Kontrastbild. Schneewittchen ist nicht länger das passive, verlorene Mädchen, das gerettet werden muss, Snow White kann sich selbst retten (indem sie Kanalisationen durchkämpft, zahme Pferde reitet und mit ihrem Charme und ihrem unsagbar zauberhaften Lächeln sogar Ungeheuer betört). Und wenn doch ungeplante Hindernisse wie die sieben hundsgemeinen Zw… Kleinwüchsigen auftauchen, zieht sie ihre Trumpf-Karte: Mein Papa ist der König! Emanzipation in der Märchenwelt, oder Märchenhaftes in heutigen Maßstäben, wie man es sehen möchte.

Revoluzzer in jeder Lebenslage: Kristin Stewart in "Snow White and the Huntsman"
© Universal
Übersehen kann man jedoch nicht, dass der männliche Teil der Besetzung (der unüberraschenderweise überwiegt) entweder übermäßige Vorsicht, überstürzte Hast oder männliche Schwäche an den Tag legt. Äußerst charakteristisch ist das Verhalten des Huntsman (dessen Name originalgetreu verschlüsselt bleibt), der zwar Kraft und Mut hat, mit den Gefühlen für seine verstorbenen Frau  jedoch nicht umgehen kann. Wahrscheinlich, weil er nie gelernt hat zu weinen. Stattdessen trinkt und spielt er, wirkt aber selbst mit Hose und Stiefeln in der Pferdetränke noch heldenhaft charmant und schlagfertig.

Aufmerksame Betrachter erkennen Parallelen zur Gegenwart. Männer sollen Angst und Trauer zeigen, im entscheidenden Moment aber doch den Weg kennen. Oder zumindest die Hinweisschilder lesen können. Der Jäger soll zum Begleiter werden, zum Beschützer. Nicht zum Besitzer, wohlgemerkt. Snow White lässt sich vom Huntsman helfen und durch seinen Kuss (was ist schon der Kuss eines weichgespülten Prinzen?) wieder zum Leben erwecken (von den Toten aufzuerstehen hat Kristen Stewart ja bereits geübt), ihren Platz auf dem Thron lässt sie sich jedoch nicht streitig machen, teilt ihn nicht einmal. Ist das fair? Nun, wir können davon ausgehen, dass Snow White ihm seine Spielschulden erlässt. Und was lernen wir noch aus der Geschichte? Mitten im schneebedeckten Winterwald keine Äpfel von Fremden anzunehmen. Und manche Kindheitserinnerungen lieber in der hintersten Ecke des Bücherregals zu lassen, wenn man nicht gerade Kristen-Stewart-Fan ist.

Und wenn sie nicht gestorben ist…
Eure Foxy

Krümel, Löffel und Co.


Fünf Kilo Gepäck. Fünf Kilo Existenz.

Ich liebe Städtereise. Zwei, drei Tage reichen meiner Meinung nach völlig aus um einen Eindruck von einer Metropole zu bekommen. Und dieser Eindruck ist in der Regel gut, denn für die schlechten Ecken haben wir ja keine Zeit. Ich habe also wieder mal einen Kurztrip in die Wege geleitet und stehe vor dem Hauptproblem aller Reisenden: Kofferpacken. Nun, wer mich kennt, weiß, dass ich längst olympisches Gold gewonnen hätte, wenn es um die Disziplin ginge, Koffer in minimaler Zeit maximal zu füllen. Je kleiner der Koffer, desto größer die Herausforderung. Was also mitnehmen zu einer zweitägigen Reise? „Eine Unterhose, einen Kamm und eine Zahnbürste. Vielleicht noch Zahnpasta, falls der Zimmernachbar im Hostel keine leihen kann.“ Ja, das würde der Durchschnittsmann antworten. Da der gegenwärtige, seit der Jahrtausendwende ungebrochene Trend nach wie vor hin zur Metrosexualität geht, zählen einige auch noch Deo, Rasierer und Handtuch auf. Und jetzt die Gegenstimme. „Ehhh…“ Na, Mädels? Richtig, wir haben keinen blassen Dunst, was wir mitnehmen sollen. Also nehmen wir ein bisschen von allem mit. Ich packe meinen Koffer… war schon immer eins meiner Lieblingsspiele, auch wenn mein Gepäckstück diesmal gar kein Koffer ist. Doch auch ein Rucksack kann bis in die letzte Stofffalte gefüllt werden.

Keiner wird mir widersprechen: Wir sind fast ausnahmslos Handtaschenfetischisten. Pardon, Fetischistinnen. Selbst beim Kurzbesuch bei der besten Freundin inklusive Sofaübernachtung brauchen wir, naja, ungefähr fünf Kilo Gepäck. Fünf Kilo nur das Nötigste. Fünf Kilo Existenz. Frauen und Taschen haben eine Beziehung wie die Erde und der Mond. Das eine wird vom anderen angezogen, beide bedingen einander. Was ist die Frau, die euch auf der Straße entgegenkommt und keine Handtasche trägt? Überfallen worden.

Nun, Spaß beiseite.

Eine Handtasche ist für uns Statussymbol, Accessoire, der Garant für spontane Clubnächte und erfolgreiche Dates. Und sie ist ein faszinierendes Mysterium. Und wir wissen das. Wir wissen auch, dass ihr, liebe Männer, das nicht mal mit gutem Willen und einer Extraportion Empathie verstehen könnt. Die Sache mit den Schals, Schuhen und Schmuck ist noch halbwegs nachvollziehbar, das sieht hübsch aus. Und wir darin und damit. Aber eine Handtasche? So ein Sackbeutel, der an unserem Arm baumelt und irgendwie ständig im Weg ist. Was kann der? Warum ist der da? Bevor jetzt die ersten mit Freudschen Theorien aufwarten, wofür eine Handtasche so stehen könnte, wollen wir etwas Licht ins Dunkel der Taschen bringen.



Foxys Handtasche. Mit einem Ü-Ei.

Warum Männer das Phänomen "Handtasche" nicht verstehen

Generell scheint es eine Dichotomie auf dem Gebiet der Handtaschenphilosophie zu geben. Wenn eine Freundin mich besucht und sie keine dabei hat, ist das sehr merkwürdig. Wenn ein Typ zu mir kommt und eine dabei hat, ist das noch viel merkwürdiger. Männer kommen entweder mit einer überdimensionalen Sporttasche – in der sie unnatürlich wenige Sachen unnatürlich groß zusammenfalten – oder mit nichts als dem Inhalt ihrer Jackentasche, vorausgesetzt sie haben eine dabei. (In milden Spätwinternächten wird auf diese aus organisatorischer Effizienz gelegentlich verzichtet.) Es scheint, als ob sich Männer nicht zwischen zu wenig – also gar nichts – und einem Zuviel entscheiden können. Wobei der häufigere der beiden Fälle der letztere ist und nur dann eintritt, wenn der Typ für ein längeres Wochenende vorbeikommt. Oder bei euch einzieht.
Eine Frau hingegen wird immer mit einer Handtasche bei euch auftauchen, sei es auch nur dafür, um euch zu sagen, dass sie keine Zeit hat, weil sie noch einkaufen gehen muss. Unter anderem auch Schuhe und Handtaschen. Liebe Philosophen, an dieser Stelle wird der Sackbeutel in der Tat zum Metasackbeutel.

Handtaschen und ihre unergründlichen Tiefen sind ohne Zweifel ein halboffenes Symbol für die weibliche Abhängigkeit von der Kosmetikindustrie und zeigen, dass wir eines nicht abgeben können: die Kontrolle. Über unser Aussehen, über Eventualitäten, die aus dem Nichts über uns hereinbrechen könnten („Ja, ich brauche diesen Haargummi. Ja, ich weiß, dass ich schon einen in den Haaren hab. Aber was, wenn der kaputtgeht?“), über unsere einseitigen Haltungsfehler.  Jede von uns ist längst eine postmoderne Mary Poppins und zaubert alles Mögliche und Unmögliche zwischen zwei Reißverschlusshälften hervor. Wir brauchen das, was in unseren Taschen ist. Alles. Nicht immer. Aber irgendwann.

Was ist nun drin in so einem ledrigen Mysterium? Ich habe einen Selbstversuch gestartet und meine eigene Allround-Tasche mal genauer untersucht.
Auf den ersten Blick spielen Form, Farbe und Größe bei der Wahl der Lieblingshandtasche weniger eine Rolle. Nun, wir wissen alle, dass die Größe auf den zweiten Blick doch eine Rolle spielt. Doch stehen die Maße einer Tasche proportional zu ihrem Inhaltsvermögen, also auch zu ihrem Inhalt. Diese physische Theorie ist angreifbar, denn ich halte die empirisch geprüfte Theorie dagegen, dass auch in kleine Taschen eine Menge reingeht. Von den herkömmlichen Standards wie Portemonnaie, Schlüssel, Handy,  Papiertaschentüchern und Kondomen (an dieser Stelle driften die Meinungen auseinander: Manche finden es vollkommen ausreichend, Toilettenpapier zu benutzen) gibt es eine Vielzahl von Dingen, die man noch in einer Handtasche finden kann. Ganz oben auf der Liste stehen Sand und Krümel. Kein Mensch weiß, wo sie herkommen, aber sie sind in jeder Falte des Innenstoffes. Als würden wir jeden Tag ein Dutzend Brötchen darin transportieren, sie hin- und her schwenkend, während wir in halsbrecherischem Tempo die Treppe hinuntersprinten um in letzter Sekunde doch noch die Bahn zu verpassen, die uns an die Ostsee gebracht hätte, wo wir unserer Tasche neben unser Strandtuch gelegt und auch ihr mal eine Auszeit gegönnt hätten. Da wir aber die Bahn verpasst haben, hat unsere Tasche nie das Meer gesehen – und auch keinen Ostseesand. Bleiben noch die Krümel. Gut, vielleicht war irgendwann einmal ein Croissant in einer Tüte in der Tasche. Erfahrungsgemäß überleben solche Gebäckteile aber nicht lange genug, um die Masse Krümel zu produzieren, die wir in unserer Tasche finden. Vielleicht schieben wir es einfach auf das Krümelmonster. Das futtert auch überall Kekse. Warum dann nicht in unserer Tasche.

Kramen wir weiter. Ein Kosmetikartikel findet sich immer. Eine Tube Creme, ein Lippenstift oder Labello. Die Gewagteren unter uns haben mal ein paar Kaugummis oder Bonbons dabei. Und sonst? Müssen wir uns auf den Überlebenskampf da draußen vorbereiten. Mit zusammenklappbaren Bürsten (die in Einzelfällen unseren Namen auf der Rückseite trage. Es könnte ja jemand auf der Damentoilette genau dieselbe Bürste benutzen und dann ist unsere Einzigartigkeit dahin. Und die unserer Bürste.), zusammenklappbare Zahnbürsten, Zahnpasta und Duschgel in… Handtaschengröße eben. Ich persönlich habe ein Faible für UHTO, ungewöhnliche Handtaschen-Transport-Objekte. Meine Freundin Lu war immer fasziniert davon, dass ich in schöner Regelmäßigkeit eine Birne aus meiner Tasche zog. Nicht nur zum Frühstück, sondern auch abends beim Cocktailtrinken oder beim Shoppen. Ich bin eben gern vorbereitet und Obst ist gesund. Wenn man es denn isst. Manche Birnen fanden nach mehrtägigem Transport ihre letzte Ruhe im Bioeimer. Das letzte ungewöhnliche Objekt, das ich in meiner Tasche fand, war ein Plastiklöffel. Warum ich die Tatsache betone, dass er aus Plastik ist? Keine Ahnung, ich habe auch schon Gabeln und Messer aus Metall mit mir herumgetragen. Aus purer Vergesslichkeit, nicht, weil ich dachte, dass ich sie gebrauchen könnte. Es lässt sich aber nicht abstreiten, dass ein Löffel in der Tasche uns eines gibt: maximale Unabhängigkeit vor dem Kühlregal. 


Frohes Weiterkramen,
eure Foxy